[Schreibaufgabe] Ich hätte da noch eine Frage … Interviews

Wenn man die Figuren ein wenig besser kennt, kann man sich irgendwann auch mal hinsetzen und mit ihnen ein Gespräch führen, ein Interview um genau zu sein. Natürlich kann dies die erste Übung sein, es kann aber auch die Letzte. Je nachdem, wie ihr euch dazu motiviert fühlt.

Ich arbeite viel mit den Hintergründen: Goal, Motivation, Conflict, Hopes, Fears, Dreams … und so weiter. Aber letztendlich schaue ich mit diesen Übungen auf die Figur hinab. Ich schreibe mit diesen Möglichkeiten die Figur in einer dritten Form. Auch wenn ich Kurzgeschichten oder Szenen mit ihr schreibe, so geschieht dies über eine andere Sprachebene.

Wird die Szene oder Kurzgeschichte in der Ich-Form geschrieben, kann dies schon anders aussehen. Aber für diejenigen unter euch, die noch nicht diese Elemente verwenden wollen, können das Interview als Möglichkeit des Kennenlernens verwenden.

Schnapp dir also etwas zu schreiben (handschriftliche Notizen sind genauso gut, wie das schreiben am PC, finde ich dafür aber viel angenehmer), also ein Block und ein Stift, der etwas länger hält. Für dich als Befragerin oder Befrager kannst du immer kurz Ich schreiben und für die zu befragende Person kannst du gerne kurz Sie oder Er schreiben. Gerade dann interessant, wenn du es mit einem längeren Namen zu tun hast.

Fange erst einmal mit etwas allgemeinen an. Wie geht es deiner Figur, was hat sie gemacht, bevor du sie zum Interview geladen hast. Ja, tue so, als wäre sie eine reale Figur, die zu deinem Interview kommen musste, auch das kann eine interessante Antwort hervorlocken. Fand sie es denn nervig zu dir zu kommen oder hat es ihr nichts ausgemacht?

Dann erkundige dich ruhig nach der Familie. Hatte sie ein gutes Verhältnis zu den Eltern, zu den Geschwistern, zu anderen Familienmitgliedern. Auch zu der Ehefrau oder den Ehemann, zu den Kindern kannst du deine Figur befragen (natürlich immer vorausgesetzt, sie hat entsprechende Familienverhältnisses). Und wenn sie ein Waisenkind ist, wie fühlt es sich gerade für sie diese Situation an?

Ist deine Figur eine Heldin oder ein Held, wie ist es so? Sich in Abenteuer zu stürzen, mit Drachen zu kämpfen, fern der Heimat? Hat sie Angst oder ist sie eher gut gelaunt? Und wenn ja, bzw. nein, wieso? Deine Figur, ist der Bösewicht der Geschichte, dann frage sie, warum sie tut was sie tut? Denke daran, der Bösewicht denkt nicht, dass er oder sie etwas böses tut (zumindest nicht zwangsläufig), sondern ist häufig davon überzeugt, dass richtige zu tun.

Hat deine Figur gemordet (in Krimis oder Thrillers), frage sie nach Details zu der Tat, nach ihren Gefühlen und nach den Gründen. Wenn deine Figur die Welt erobern will (zum Beispiel in Fantasy oder Science Fiction), wie will sie das erreichen und warum? Auch dafür wird sie gute Gründe haben.

Frage sie auch nach dem Alltag, was sie sich wünscht und wo vor sie sich fürchtet.

Frage sie einfach nach allem, was DICH interessiert.

Das Interview hat mehrere Vorteile. Du wirst deine Figur näher kennenlernen, denn sie antwortet dir. Okay, natürlich antwortet dein Kopf dir und du schreibst die Antworten letztendlich auf. Aber wenn du deine Figur einigermaßen kennst, dann wird sie dir Antworten geben, die nur deine Figur dir geben kann. Denn jede andere deiner Figuren wird dir eine völlig andere Antwort geben, aufgrund der Tatsache, dass sich hier ein völlig anderer Charakter entwickelt hat.

Jede Figur hat eine eigene Sprache mit der sie redet und mit der sie denkt. Wenn du sie von oben herab beschreibst, schreibst du mit deiner eigenen Sprache. Aber im Interview lernst du sie kennen und hörst (bzw. liest), was die Figur sagt und wie sie etwas sagt, oder auch nicht.

Denn es wird Fragen geben, darauf erhältst du entweder keine Antwort, keine vollständige oder schlichtweg eine Lüge. Du wirst merken, wann es soweit ist, diese Fragen bzw. antworten kannst du dir dann markieren. Denn das ist meistens interessanter, als jede Frage, die von ihr ehrlich beantwortet wurde.

Bei welcher Frage hat dir deine Figur eine Antwort vorenthalten, wo musst du mit einer halben Antwort leben und wo hat sie dich direkt angelogen? Schau dir die Fragen an und du wirst merken, wo der Schuh bei deiner Figur drückt.

Wenn du zum Beispiel deine Figur nach der Kindheit fragst und sie erzählt dir, wie toll es doch war, obwohl es eine lebende Hölle war, wirst du es merken. Warum lügt also die Figur gerade bei dieser Frage und nicht, warum sie mit zehn Jahren einen Lolli gestohlen hat und die Prügelstrafe ordentlich eingesteckt hat?

Da kannst du dann auch bei deiner Charakterrecherche noch einmal nachhacken. Was ist da passiert, worüber die Figur nicht mit dir reden möchte.

Ich habe durch das Interview mit einem meiner Figuren herausgefunden, dass dieser nicht gerne über sich selbst redet. Er meidet dies schlichtweg und sucht nach Themen, worüber man sich im allgemeinen unterhalten kann. Natürlich hackte und hacke ich weiter nach (mit ihm bin ich noch nicht fertig). Mal sehen wohin mich das noch führt.

Und wenn ihr mit dem Einzelinterview fertig seit, könnt ihr es natürlich auch weitertreiben. Bringe deine Figur mit einer anderen Figur zusammen und lasse sie miteinander reden. Fungiere hier als Moderatorin oder als Moderator. Wenn es aus dem Ruder gerät, dann bringe die Figuren wieder zurück zum Thema. Und wenn es nicht weitergeht, dann streue ein Thema ein, worüber sie dann wieder reden können.

Du hast hier die Möglichkeit, deine Figur mit einer bekannten Figur zusammenzubringen (sieh den letzten Link für Beispiele). Da kannst du einfach sehen, wie dein Charakter mit einer völlig unbekannten Situation zurecht kommen muss. Wenn eine Figur aus der Steinzeit oder Mittelalter plötzlich mit einer Figur wie Tony Stark zurechtkommen muss, wie reagiert deine Figur darauf? Oder wenn sie auf jemand anderen trifft? Such dir deine Figuren aus und lasse sie aufeinadertreffen.

Und natürlich, lasse deine Figur mit einer anderen aus deinem Universum zusammenkommen. Wenn dein Held oder deine Heldin niemals den Bösewicht treffen soll (wenn das deine Geschichte so verlangt, ist dies in Ordnung), kannst du sie trotzdem mal beide zu einem Interview laden. Was haben die beiden sich zu sagen. Was könnten sie voneinander lernen, was trennt sie voneinander?

Ganz wichtig kann es auch sein, dass du deine Hauptfiguren auch mal aufeinander treffen lässt. Gerade wenn sie sich nicht riechen können. Wieso können sie es nicht, was würden sie sagen, wenn sie es dürften und so weiter. In dem Interviewraum (du kannst es dir gerne als richtigen Raum vorstellen), dürfen sie alles, außer sich an die Gurgel gehen (das dürfen sie wiederum in deinem Roman ;o) ).

Wie du siehst, deiner Kreativität ist keine Grenze gesetzt. In dem Sinne, tob dich aus … oder frag sie aus? ;o)

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